«Der Bund», 8. 3. 2013

«Wahri Swissness» mit «Swatch Touch»

«Es isch my Swotsch, du Dotsch», lautete einst die Pointe eines Basler Schnitzelbänklers, dessen Liebste geglaubt hatte, sein pochendes Herz zu hören. Jetzt ist die Versuchung gross, das Zitat aus dem Zusammenhang zu reissen: «Swotsch, du Dotsch!» Der als «eimaligi Dialäkt-Usgaab» auch «in Schwiizerdüütsch» veröffentlichte «Gschäftsbricht» des Uhrenkonzerns bietet genug Anlass zu diesem Aufruf oder gar zum Urteil, da sei «en Gag i’d Hose ggange» – Gag selbstverständlich englisch verstanden, wie auch das Uhrenmodell Swatch Touch mit seinem Spruch «You Touch it Tells», und was die uhrmachenden Tellensöhne und -töchter sonst noch an Weltsprachlichem von sich geben.

Doch das Positive vorweg: Man hat sich grosse Mühe gegeben und nicht etwa ein Bahnhofbuffet-Olten-Gemisch aufgetischt, sondern für die einzelnen Abschnitte regionale Dialekte ausgewählt und angegeben – ungefähr zwanzig verschiedene. Es kann auch sein, dass manches Wort, das hochdeutsch wirkt, in der betreffenden Mundart tatsächlich vorkommt. Aber vieles ist im Dialekt ungeniessbar oder zumindest dubios.

Das gilt schon für «s’Geleitwort vo dr Presidäntin», das Nayla Hayek an «sehr geehrti …» richtet und mit Ausdrücken garniert wie «damols», «gliebt», «begonne», «Ivernähme», «garbeitet» und «sech vor Auge halte». Oder auch mit dem Futurum «schätze wärde» und Konstruktionen wie «wahri Swissness, womit mer eusi Landslüüt es bezli uufrüttle», «Aktionäre, ohni die das nid möglich wär», sowie «zum d’Japaner z’schloh». Man spürt, dieser Text war schriftdeutsch, bevor er in den Dialekt übertragen wurde – mal mit mehr, mal mit weniger Geschick. Die hier berücksichtigten Teile des Berichts sind «ursprüngläch uf Französisch verfasst wordä», aber sie wurden kaum direkt übersetzt.

Oft wird man an das «Parlaments-Schweizerdeutsch» erinnert, von dem an dieser Stelle am 25. 1. die Rede war. Ein paar Beispiele: «Herusforderig», «gfolgt vo», «bi 12 Uhr» auf dem Basler Zifferblatt, «die manufaktureigeni Produktion uf vertikaler Äbeni verstärkt». Immerhin gibt es auch die Obwaldner «Uisäforderig» oder auf dem Urner Zifferblatt die Stelle «bi dr Zahl Säx». Ein Tiefpunkt ist mit «Agsichts de Bedütig vom chinesische Markt» erreicht, ausgerechnet in der angeblichen Mundart meines Heimatkantons, der dialektal besonders vielfältig ist. «Aargauerdütsch» gibt’s nun mal beim besten Willen nicht, und Wörter wie «Könstler» und «Bondesrot» lassen mich vermuten, da sei jemand aus einer entlegenen Ecke des Kantons am Werk gewesen. Wenigstens heisst der «Markt» nicht überall so, sondern zum Beispiel «Maat» (Appenzell) oder «Märt» (Glarus).

Besonders auffällig ist das modische Schluss-ä, so in «Uhrä, Berichä, energiegladnä, erwiteretä, Maschinenä». Wetten, dass in der Mehrzahl, falls sie im Kanton Schwyz tatsächlich auf -ene endet, die beiden e exakt gleich tönen? Und dass anderseits ein Wort wie «gägä» in kaum einer der mit Schluss-ä bedachten Regionen zwei gleiche Vokale aufweist (BE, UR, SZ, SG, TG sowie die mit einem oder zwei zusätzlichen Dialekten vertretene «Ostschwiiz» bzw. «Oschtschwiiz»).

Zur Erholung darf man am Schluss den in Schriftdeutsch gehaltenen Revisionsbericht lesen. Allerdings bleiben einem auch da sprachliche Schrecksekunden nicht erspart: «Eine Prüfung beinhaltet die Durchführung von Prüfungshandlungen zur Erlangung von Prüfungsnachweisen …» Aber immer noch lieber das als dies: «D’Swatch Group verfüägt übär än umfassändi Känntnis und Verfolgbarkäit vo dä bezogänä Lädärwarä us exotischä Zuchtä und ihri Aktörä.» Wer das gern Wort für Wort in unbeholfenem Hochdeutsch liest, kann zum «Geschäftsbericht auf Deutsch» greifen. Den gibt’s (www.swatchgroup.com), wenngleich die schweizerdeutsche Fassung nur die französische und die englische erwähnt.

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)