«Der Bund», 24.6.11

Blütenlese aus dem Blätterwald

Wer nach Stilblüten sucht, ist im «Bund» schlechter bedient als in manchen anderen Gazetten. Zwar scheint mir, die Ausbeute sei in jüngerer Zeit besser geworden, aber das mag nostalgische Verklärung eines ehemaligen Redaktors sein. Zuweilen gibts auch Nachhilfe von höchster Stelle, oder von Reden schreibenden Bediensteten daselbst. «Heute setzen Sie den ersten Stein und schicken uns auf die Reise», so durfte man nach der Energiedebatte Bundesrätin Leuthard zitieren. Zwei schöne Bilder, beide durchaus passend – nur nicht in Kombination. Denn wo der erste Stein gesetzt ist, sollte man dranbleiben und weiterbauen, nicht verreisen. Es sei denn, die Volksvertretung baue besser, wenn die Landesregierung auf Reisen ist.

Nicht jede Politikerin ist so freundlich, die Stilblüten selber zu liefern, aber manche bietet wenigstens den Anlass, journalistisch kreativ zu werden: «Zugpferde bekommen Kinder» stand in einem Artikel über schwangere Nationalrätinnen. Als Zuchtstute braucht sich keine von ihnen tituliert zu fühlen, schliesslich ist «Zugpferd» ein gängiges Bild für jemanden, der den Karren schleppt. Allerdings auf sprachliche Abwege, wenn genanntes Tier und gemeinter Mensch weitere Fähigkeiten teilen, wie hier das Kinderkriegen. Eine aus der Reihe dieser politischen Zugpferde – ihr Zugfohlen ist schon auf der Welt – trug auch noch selber zur Blütenlese bei: «Ich bin sprachlos», sagte sie auf Anfrage zur Waffenverwaltung in der Armee und gab dann trotz ihrer Sprachlosigkeit eine längere Erklärung ab.

Probleme treten nicht nur auf, wenn sich ein Bild allzu gut in die Realität einfügt (das trächtige Zugpferd lässt grüssen), sondern auch dann, wenn es ganz und gar nicht passen will: «Der Nabel der Kunstwelt zeigt sich selbstkritisch» und suggeriert damit eine seltsame Art (Basel) der Nabelschau, und dieser Nabel kann noch mehr: Er «hält den Besuchern den Spiegel vor». Fehlt noch, dass er zum Himmel stinkt – das wäre immerhin sowohl bildlich als auch wörtlich möglich. Hingegen wird es schwierig, wenn man abstrakten Wesen konkrete Taten unterstellt: «Die Kernmotive geben sich die Klinke in die Hand.»

Noch stärker strapaziert es das Vorstellungsvermögen, wenn zwei Bilder kombiniert werden, die sich nicht vertragen, wie hier: «Auf diese Formel lässt sich der politische Kompass Kretschmanns eindampfen.» Das Gerät, das Kompasse einzudampfen vermag, muss erst noch erfunden werden – und hat man es, so wird nach dem Eindampfen kaum etwas übrigbleiben. «Aaschändig regiärä» kann der baden-württembergische Ministerpräsident damit vielleicht doch; diese angebliche Absichtserklärung ist wohl durch einen Tippfehler verschandelt worden.

Nicht nur kombinieren, auch verschmelzen lassen sich bildliche Redensarten auf kuriose Weise: So war der Vorwurf zu lesen, die Bundesanwaltschaft habe früher «unüberlegt ins Kraut geschossen». Offenbar sind ihre Ermittlungen ins Kraut geschossen, und sie hat dabei öfters einen Schuss in den Ofen abgegeben, also einen erfolglosen. Ein Schuss ins Kraut, ob überlegt oder nicht, verspricht freilich auch kein besseres Gelingen.

Unter einer Stilblüte könnte man sich ja durchaus ein wohlgeratenes Kraut vorstellen, wüsste man nicht, dass das Wort leider nur Sumpfblüten bezeichnet. Im wohlgepflegten Zeitungsgarten des «Bund» sind indessen auch Blüten der erfreulichen Art zu pflücken. Etwa diese: «Windturbinen wirbeln Parteipositionen auf.» Oder gar: «Die Landesausstellung stellte das Licht Berns nicht unter, sondern auf den Scheffel.» Der Autor scheint bibelfest zu wissen, dass der Scheffel ein Mess- und Schöpfgefäss ist, von dessen Gebrauch als Lampenschirm schon Jesus abriet. Nichts aber spricht dagegen, dass der Scheffel oben ein Licht trägt, auf dass man es weithin sehe wie einen Leuchter.

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)