«Der Bund», 29.4.11

Widerstand gegen «die Rebellen»

Tut man den Rebellen in arabischen Ländern unrecht, wenn man sie Rebellen nennt? Ein langjähriger Auslandredaktor, jetzt im Ruhestand, findet das, denn das Wort sei pejorativ, wirke also abwertend. Ihm gefiele es schon besser, von Aufständischen zu reden, am besten aber, von Widerstands- oder Freiheitskämpfern. Damit schliesst er den Kreis zu jenem Berufskollegen, der vor gut einem halben Jahrhundert bei einer altehrwürdigen Zeitung in der grössten Stadt der Schweiz ein Volontariat absolvierte. Der junge Mann warf – sanft rebellisch – die Frage auf, ob es wirklich nötig sei, die damals in Algerien kämpfende Befreiungsfront in Anführungszeichen zu setzen: Sie heisse doch einfach so. «Ja schon, aber wir wollen das ja nicht unterstützen», belehrte ihn ein gestandener Redaktor.

Heute dagegen, wo der Widerstand in arabischen Landen nicht der Fremdherrschaft gilt, sondern einheimischen Unterdrückern, wollen wir das ja unterstützen – oder zumindest nicht die Tyrannen. Just deren Sicht aber übernehmen wir, wenn wir unter einem Rebellen das Gleiche verstehen wie ein altes deutsches Wörterbuch: «eine Person, welche sich ihrer ordentlichen und rechtmässigen Obrigkeit mit öffentlicher Gewalt widersetzt; ein Aufrührer». So umschrieb es Johann Christoph Adelung Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Das Deutsche Rechtswörterbuch, das ebenfalls die Sprache jener Zeit wiedergibt, nennt den Rebellen gar in einem Atemzug mit dem «Aufwiegler, Meuterer, Obrigkeitsschänder» (beide Bücher unter woerterbuchnetz.de).

Nur hat seither die Französische Revolution das Verhältnis zur Obrigkeit geändert, und in jenen Ländern, in denen heute rebelliert wird, ist diese nach unserem Verständnis keinesfalls «ordentlich und rechtmässig». Als Held, nicht als Schurke gilt daher, «wer sich auflehnt, widersetzt». Genau so wird der Rebell in einem heutigen Wörterbuch definiert. Allerdings ergänzt das hier zitierte Etymologische Wörterbuch des Deutschen (nach Pfeifer, vernetzt unter dwds.de) noch: «Aufrührer, Empörer», was an die alte Lesart erinnert. Zur Herkunft schreibt es: «aus lat. rebellis, eigentl. 'den Krieg (gegen den Überwinder) erneuernd'».

Da sind wir beim Kern der Sache: Re-bellieren kann man erst, wenn man überwunden worden ist, sei es von fremden oder eigenen Herrschern. Je nach Art und Weise, wie Herrschaft entstanden ist oder ausgeübt wird, kann es ein Widerstandsrecht geben, Rebellion also legitim sein. Im Einzelfall mag das umstritten sein, für die betroffenen arabischen Länder aber kaum. Eher ist fraglich, ob tatsächlich «das Volk» rebelliert, wie es in enthusiastischen Berichten oft heisst, oder nur eine beträchtliche Minderheit.

Ob im Begriff «Rebell» heute noch ein Tadel anklingt, kommt vor allem auf den Zusammenhang und die Stimmlage im jeweiligen Text an. Das Gleiche gilt übrigens für andere sprachliche Streitfälle, etwa die Verwendung der weiblichen Formen. Dass hier nur von Rebellen die Rede war, bedeutet nicht, dass der Autor den Beitrag der Rebellinnen verkennt. Nur ging es ja nicht darum, sondern um das Wort an sich. Die Rolle der Frauen müsste ein Thema jedes einlässlichen Berichts über die Aufstände sein – ausdrücklich und nicht durch schematische Doppelnennung der «Rebellinnen und Rebellen». Wobei das Wort «Aufständische» den Vorteil hätte, im Plural für beide Geschlechter zu gelten.

In der Schweiz kann man zur Ehrenrettung der Rebellen anfügen, auch Wilhelm Tell sei einer gewesen. Und dass die Stauffacherin eine lobenswerte Gestalt ist, versteht sich von selbst. Auch wenn der Name sie zum Anhängsel des Landammanns macht.

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)