«Der Bund», 1.4.11
Sprachwahrer mit und ohne Fehlleistungen
«Denglisch» steht gross und schwarz auf gelbem Grund – durchgestrichen mit einem roten Balken. Mit einem solchen Ortsausgangsschild, wie es an deutschen Landstrassen üblich ist, hat kürzlich die Zeitschrift «Deutsche Sprachwelt» den Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer aus Bayern ausgezeichnet. Das rührige Blatt lässt seine Leserschaft jedes Jahr über die Auszeichnung «Sprachwahrer des Jahres» abstimmen. Der Minister schwang obenaus, weil er seinen Ämtern eine «Deutsch-Initiative» verordnet hatte. So wurde aus dem Travel Management die Reisestelle, und Meetings heissen (wieder) Besprechungen. Der Deutschen Bahn rang Ramsauer das Versprechen ab, ihre Service Points umzubenennen: nicht gerade Auskunftei sollen sie heissen, aber immerhin Information. So weit, so gut; die (auch auf Wikipedia verbreitete) Behauptung, er wolle die amtseigenen Laptops künftig Klapprechner nennen, dementierte der Preisträger.
Nicht auszudenken, was sonst noch alles dem Synapsentango in den Amtsstuben entsprungen wäre. Synapsentango? Das Wort – es kursiert auch in mindestens einem Musikstück und als Synonym von Schwips – war einer von 3000 Vorschlägen, welche die Aktion lebendiges Deutsch erhielt, als sie nach Ersatz für Brainstorming suchte; auch Hirnhatz oder Gripstreff waren dabei. Jeden Monat wird in 50 deutschsprachigen Zeitungen eine Suche ausgeschrieben; den Zuschlag erhielt damals das Wort Denkrunde. Andere Male wurden etwa erkoren: Schnellkost (Fastfood), Prallkissen (Airbag), Startuhr (Countdown).
In Frankreich gab es sogar eine amtliche Suchaktion dieser Art: den vom Aussenministerium ausgeschriebenen Wettbewerb «Francomot». Schliesslich ist der Kampf gegen die weltweite Vorherrschaft des Englischen für das Mutterland der Frankofonie ein Stück Aussenpolitik. Den im Februar gekürten Preisträgern war unter anderem eingefallen: «bolidage» für «tuning» bei Autos, denn die werden dadurch zu Boliden, «éblabla» und «tchatche» für «chat», aber auch schlicht «débat» für «talk» an Radio oder Fernsehen. Will Provins Valais an so einem Wettbewerb teilnehmen, so muss sich diese Kellerei etwas Besseres einfallen lassen als «idéal pour l'open air, la raclette et les afters». So stehts auf einer Flasche Domherrenwein, mit deren Bild in der Deutschschweiz geworben wird.
Verdienste um die freundeidgenössische Verbreitung der englischen Sprache gibt es auch in umgekehrter Richtung: Einem Genfer Tierarzt fiel in einem Bulletin für Pferdezucht auf, dass dort das Einpflanzen eines Mikrochips als «chiper» bezeichnet wurde – was sonst «mitlaufen lassen» bedeutet, oder deutsch und tierisch gesagt: «klauen». In Frankreich dagegen heisst die tierärztliche Dienstleistung «pucer», weil dort der Chip als «puce», also als Floh eingebürgert wurde. Indessen wird auf Deutsch von «chippen» geredet – ohne Rücksicht darauf, dass das englische «to chip» schnetzeln und dergleichen bedeutet; wenn neuerdings «to micro chip» gesagt wird, resultieren daraus aber tatsächlich nicht besonders fein zerteilte, sondern elektronisch markierte Tiere.
«Chippen» wird nicht nur für Tiere gebraucht, sondern auch im (Golf-)Sport für einen Kurzschlag. Die Aktion lebendiges Deutsch liesse vielleicht beides gelten, denn so lautet ihr vernünftiges Motto: «Wir sind keine Puristen, keine Fremdwort-Jäger, keine Bilderstürmer. Wir bejahen die Bereicherung des Deutschen durch fremde Sprachen, und manche Importe gerade aus dem Englischen begrüßen wir. Unsere Initiative richtet sich allein gegen die schiere Anglomanie, gegen das Übermaß.» Strenger ist die «Deutsche Sprachwelt», aber auch sie lobte vor einem Jahr ihren damaligen Preisträger nicht nur für gutes Deutsch, sondern auch für einwandfreies Englisch. Es war ein gewisser Karl Theodor zu Guttenberg, dessen besondere Methode der Sprachwahrung damals noch nicht ruchbar geworden war.
© Daniel Goldstein (sprachlust.ch mit Dank an deutschesprachwelt.de und aktionlebendigesdeutsch.de)