«Der Bund», 18.2.11

Mit den SBB nach Freiburg fahren

Ab Mitte März, so haben die SBB angekündigt, wird in den Zügen nach Freiburg und Murten der Ortsname wieder so in deutsche und französische Ansagen eingefügt, wie er in der jeweiligen Sprache lautet. Das war auch schon früher der Fall, aber im letzten Dezember führte die Bahn das Prinzip ein, bei Durchsagen in verschiedenen Sprachen den Ort immer so zu nennen, wie er am Bahnhof angeschrieben ist. Das bedeutet nun bei der Ankunft in Freiburg, dass auch auf deutsch «Fribourg» gesagt wird, und umgekehrt «nous arrivons à Murten». Demnächst aber wieder «à Morat» und «in Freiburg».

Ein Bahnsprecher erklärt, die Freiburger Kantonsregierung habe sich für diese zweisprachigen Ortsnamen eingesetzt. Aber sonst wolle die Bahn die Namen nur dort in verschiedenen Sprachversionen verwenden, wo auch die Bahnhofsschilder zweisprachig seien – also nur in Biel/Bienne und Sierre/Siders. Freilich sind die Ansagen noch nicht überall angepasst; unlängst war im Zug (nach der Ankündigung auf Deutsch) zu hören, «nous arrivons à Visp», auf dem Bahnhof aber: «Viège, vos prochaines correspondances ...». Auch «Genf-Flughafen» und «Zurich-Aéroport» haben sich noch ins neue Jahr gerettet, indes nicht für lang. Denn bisher bestand laut SBB die Gefahr, dass Reisende dort das Aussteigen verpassen, weil sie kein entsprechendes Schild erblicken.

Wollen also die Freiburger oder Murtener Behörden Verwirrung beim Aussteigen verhindern, so müssen sie für zweisprachige Bahnhofsschilder sorgen – zuständig ist das Bundesamt für Verkehr. Immerhin ist Freiburg mit knapp einem Viertel Deutschsprachiger offiziell zweisprachig – wie es im Reglement des Generalrats (Stadtparlament) so schön heisst: «Die Mitgliedern äussern sich in deutscher oder französischer Sprache.» In Murten allerdings mit einem Achtel Frankofoner ist Deutsch alleinige Amtssprache – nachzulesen auf dem Netzplatz murten-morat.ch. Definitiv ausgedient haben bahnsprachlich wohl «Soleure» und «Berthoud» – wer sich über die sprachliche Verarmung ärgert, benutzt mit Vorteil die neue Schnellstrecke, um zwischen Solothurn und Burgdorf durchzuschlüpfen.

Der Drang der SBB nach Klarheit in Ehren, aber mit dem «Intercity nach Genève» kann ich mich schlecht anfreunden. Sind Ortsnamen mehrsprachig gebräuchlich, so sollten sie es bleiben, auch wenn die Abgrenzung schwierig ist, für welche Namen das gilt. Einfacher ist die Feststellung, dass «Lauis» und «Luggarus» für Lugano und Locarno ungebräuchlich sind. Ebenso «Bellenz», aber das verstünde man wenigstens. Auch auf «Anet, Chiètres, Guin» werden in Ins, Kerzers und Düdingen nur wenige bestehen, oder umgekehrt auf «Peterlingen, Ifferten, Martinach» in Payerne, Yverdon und Martigny.

Etwas schwieriger wird’s im Jura: Wer «Delsberg» oder «Pruntrut» sagt, gerät in Verdacht, ein ewiggestriger Altberner mit Grossmacht-Nostalgie zu sein. Zu unrecht, meine ich: «Bi Porrentruy im Ju-u-ra» zu singen, wäre doch zu viel verlangt, und auch wo Ansage sowie Bahnhofsschild «Delémont» lauten, dürfen Zugreisende den deutschen Ortsnamen ungeniert verwenden. Hingegen käme mir als Nichtberner «Münster» für Moutier seltsam vor, aber wenn’s einer Bernerin leicht über die Lippen kommt, will ich ihr keine (sprachlich verkappten) Herrschaftsansprüche unterstellen.

Ebenso wenig braucht ein Deutscher, der «Danzig» sagt, oder eine Britin, die nach «Bombay» fährt, der Herrschaft über Gdansk oder Mumbai nachzutrauern. Aber darüber ein andermal. Vorerst achten wir darauf, ob auf die deutsche Ankündigung «Spiiz» wirklich ein Bahnhof dieses Namens folgt, oder doch eher mit schweizerischem Diphthong «Spiez» – wie es neuerdings löblicherweise in der französischen und der englischen Durchsage zu hören ist.

© Daniel Goldstein