«Der Bund», 24.12.10

Xmas steht für Cash, nicht für Christus

Wir haben uns allmählich daran gewöhnt, dass Santa Claus noch lange mit seinem Rentierschlitten herumkurvt und Weihnachtsgeschenke verheisst, nachdem der Samichlaus an seinem 6. Dezember mit Schmutzli und Eseli seines Amtes gewaltet und dann den Heimweg angetreten hat, wie es sich gehört. Aber dass das Fest, für das Santa die Werbeglöcklein klingeln lässt, nun auch hierzulande Xmas heisst, kommt mir eher neu vor. Manchmal gibt sich die Abkürzung noch als englisch zu erkennen, wenn etwa ein Gratisblatt teure Weihnachtsgrüsse fürs urdeutsche Handy als «Merry mobile Xmas» verkauft. Oder ein Einkaufszentrum namens ... Center für «X-mas-Shopping» wirbt.

Aber es geht auch quasi auf Deutsch: «Xmas-Geschenke» prangen in einem Titel besagten Blatts, und «X-mas Ausverkauf» bietet ein Schuhgeschäft an (da ist übrigens der Bindestrich ins englische Wort gerutscht, statt vor dem deutschen zu stehen). Englisch gilt eben als zeitgemäss, cool und verkaufsfördernd. Sehr oft, wenn englische Wörter für etwas verwendet werden, das auch eine angestammte deutsche Bezeichnung kennt, geht es um den kommerziellen Aspekt, und genau deswegen werden solche Wörter gepusht (der Duden lässt auch schon «gepuscht» gelten, aber weniger gern).

News sind also Nachrichten, mit deren Verbreitung besonders gut Geld verdient werden kann. Neuerdings heisst es Coffeetainment, wenn die Kaffeemaschine nicht nur mit Kaffee, sondern auch farbenfroh Freude macht. Kids sind Kinder, bei denen Werbebotschaften gut ankommen. Und wenn sie gamen wollen, brauchen sie elektronische Spiele, die eigentlich etwas kosten – nur ists oft ein Kinderspiel, sie gratis zu beschaffen.

Es hat durchaus seine guten Seiten, wenn die Werber mit ihrem Englisch zu erkennen geben, dass sie uns etwas andrehen wollen. Wer «Xmas» sieht, weiss gleich, woran er ist: Hier gehts um Cash, nicht um Christus – obwohl das X als griechisches Ch ja just für den Gesalbten steht und «mas» für Messe. Für die kirchliche, nicht für die Kirchweih oder sonst eine Handelsmesse. «XXXmas» in einer hiesigen Reklame bedeutet wohl nicht Dreifaltigkeit, sondern den ebenfalls aus dem Kommerzenglisch stammenden Superlativ von extra. Und die X-men sind nicht Christenmenschen, sondern Superhelden, die aus Comics und Filmen Kassenschlager machen können (Steigerungsform: Blockbuster).

Wie gemütlich klingts dagegen, wenn ein Buchverlag für «Mord und Totschlag unterm Weihnachtsbaum» Reklame macht. Oder wenn man sich unter der Verheissung «Weihnachten und nicht pleite» mit Unterhaltungselektronik eindecken kann. Verkaufsfördernd ist Weihnachten auch dann, wenn es nicht Xmas heisst, und es lässt sich sogar zum «Hardcore-Weihnachtserlebnis» steigern, wie der «Bund» über den Besuch in einem Outlet-Center schrieb. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass just dieser Tage eine Firma Spezialisten für «Kunden-Output» suchte – Rausschmeisser waren wohl nicht gemeint.

Doch ab heute Abend Ladenschluss ist es vorbei mit dem Weihnachtsgeschäft, ob als «Xmas» angekurbelt oder nicht. Christen können ihre Aufmerksamkeit demjenigen zuwenden, für den das X steht; sie und andere mögen sich in der «geweihten Nacht» auf jene Werte besinnen, die nicht in Geld auszudrücken sind. Die finanziellen Valoren werden schnell genug zurückkommen, ab Montag mit Geschenkumtausch und XXX-Ausverkäufen, und in Bern schon am Sonntag mit dem «Boxing Day», dessen Name im britischen Ursprungsland mit Sammelbüchsen und Spendenpaketen erklärt wird, hier aber ein Faustkampf-Spektakel bedeutet.

© Daniel Goldstein