301: «Der Bund», 13. 7. 2021

Sind Sie durch den Wind? Gehen Sie in die Beiz!

«Wann ist eine Beiz eine Beiz?», fragte mich eine Leserin, nachdem unser mutmasslich gemeinsames Leibblatt einen bestimmten «Bären» so tituliert hatte. Im Fall dieses «klassischen (Land-)Gasthofs» empfand sie die Bezeichnung als abschätzig; weniger gestört hätte sie eine «flapsige, übergeordnete Verwendung, z.B. als Schlagzeile: Wieder alle Beizen geschlossen». Ich sehe das ähnlich, aber nicht ganz so streng wie die Leserin, für die es immer «despektierlich» ist, ein namentlich genanntes Lokal als Beiz zu bezeichnen. Ein einfaches, gemütliches Restaurant, eine Dorf- oder Quartierbeiz eben, hat wohl nichts gegen diesen Titel oder wirbt sogar selber damit; eine Fressbeiz eher nicht.

Der kleine Duden «Schweizerhochdeutsch» führt «Beiz» als «mundartnahe» Bezeichnung für «Kneipe, Schenke»; ist sonst ein «Restaurant, Wirtshaus» gemeint, so sei das «salopp». Im allgemeinen Duden (Rechtschreibung) steht «Beiz» als «schweizerisch mundartlich für Schenke, Wirtshaus», «Beize» als «landschaftlich für Schenke», also regional; wer so ein Lokal führt, ist «landschaftlich und schweizerisch» ein «Beizer». Auf duden.de erfährt man zusätzlich, dass «Beiz» auch in Bayern und West­österreich vorkommt und die gleiche Herkunft hat wie das dor­tige «Beisel»: «jiddisch bajis = Haus, Gastwirtschaft < hebräisch bayit = Haus». Ist mit «Beize» dagegen ein Beizmittel oder die Beizjagd gemeint, dann ist das Wort mit «beissen» verwandt.

Nun kann man natürlich nicht jedesmal Wörterbücher wälzen, bevor man ein Wort wie «Beiz» in die Zeitung setzt. Aber man kann sich kurz überlegen, ob es für die gemeinten Lokale und in den Zusammenhang passt, in dem sie genannt werden. Für Titel bieten sich «Beizen» als kurzer Sammelbegriff an, doch statt «Beizer» passt «Wirt» bzw. «Wirte» genauso gut. Geht es ums Durchhalten in Corona-Zeiten, so sind kaum alle betroffenen Lokale auch Beizen. Dagegen wird man bei einer «Beizentour» nicht so genau hinschauen, wo sie überall hinführte: Wenn sie in die Zeitung kommt, dann wegen der Folgen.

Sogar für einen Gerichtsbericht kann ein Titel wie «Das Finanzpuff des Milieuwirts» unwiderstehlich sein. Bei den Corona-Folgen im Milieu indessen müsste nicht unbedingt von «Puff» die Rede sein. Doch weit mehr als die saloppe Ausdrucksweise störte mich da ein Abgleiten ins Fachsimpeln: Was BDSM genau be­deutet, wissen lange nicht alle; Wikipedia hilft. «Puff» ist für den Duden übrigens nicht einmal salopp, nur «umgangssprachlich für Bordell»; die seltene Einstufung «salopp» erhält in diesem Bereich nur «Hure (salopp abwertend, auch Eigenbezeichnung; auch stark diskriminierendes Schimpfwort)».

Als «schweizerisch salopp» haben es überhaupt nur zwei Wörter in den Duden geschafft: «hirnen» und «kreuzfalsch». «Schweizerisch umgangssprachlich» kommt dort etwas häufiger vor; meistens könnte dabei gerade so gut «mundartlich» stehen, denn schliesslich ist hierzulande die Mundart die Umgangssprache. Schreibt man über und für Leute, also fast immer, dann auch sprachlich gern «bi de Lüt». Dazu passt es, wenn man sich aus der Mundart bedient – jedenfalls soweit ihr schriftdeutscher Gebrauch im Duden (inklusive «Schweizerhochdeutsch») belegt ist.

Dagegen wirken über den Rhein geschwappte Brocken von Umgangssprache oft befremdlich. Einige jüngere Beispiele: «Die Tochter aus gutem Hause schmiss ihr Studium» oder ohne Objekt: «Er schmiss hin». Vielleicht war er eben «durch den Wind» (Google/Oxford: «geistig verwirrt, konfus»). Ein Redaktor (Redakteur?) hat sein Material über die Rechtschreibereform «in die Papiertonne gekloppt»; eine «herumeiernde Tiefdruckrinne» bestimmt das Wetter; «in den Neunzigern knallte Kara Walker uns Scherenschnitte vor den Latz». Gleich danach, schier zum Trost: «Es ist halt schon schampar interessant zu sehen, …». Das ist schampar mundartlich, nur in Dialektwörterlisten zu finden (so im Wiktionary, aber nicht mehr als «Schweizer Hochdeutsc).

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)