262: «Der Bund», 24. 1. 2020

Hier ist «mit Hilfe» imfall besser als «mithilfe»

Geld sei «mithilfe des Fahrers des Geldtransporters gestohlen» worden, lese ich in der Zeitung. Zwar ist seit der Reform von 1996 die Schreibweise «mithilfe» gleichermassen korrekt wie «mit Hilfe», und erst noch vom Duden empfohlen. Und doch tut mir der Fahrer leid, denn nach meinem Sprachempfinden macht ihn die Präposition «mithilfe» zum blossen Objekt, wie den Sprengstoff, mithilfe dessen der Transporter (ohne Fahrer drin) geknackt wurde. Der Chauffeur aber hat sein Mittun gestanden; er war also Komplize, nicht willenloses Werkzeug.

Deshalb ziehe ich in diesem Fall die Schreibweise «mit Hilfe des Fahrers» vor. Fürs amtliche Regelwerk ist diese Unterscheidung offenbar zu subtil, aber immerhin lässt es beide Schreibweisen zu. Der Duden gibt indirekt einen Wink, wie man den Unterschied bemerken kann: Unter «Hilfe» steht das Beispiel «der Mechaniker, mithilfe dessen (od. mit Hilfe dessen od. mit dessen Hilfe) sie ihr Auto reparierte»; Geschlechterrollen vom Duden verteilt. Als Faustregel schlage ich vor, dass immer dort, wo sich «mit dessen Hilfe» anbietet, eine aktive Hilfe gemeint ist. Dann ist die Schreibweise «mithilfe» zwar korrekt, aber unan­gemessen. Wo sie Personen zu Instrumenten macht, könnte die Präposition «mithilfe» im «Wörterbuch des Unmenschen» stehen, nur datiert das von 1957, also lange vor 1996.

Dass Wörter verschmelzen, hier «mit Hilfe», ist ein bekannter Mechanismus der Sprachentwicklung. Eher ungewöhnlich ist, dass eine amtliche Rechtschreibreform so ein neues Wort recht eigentlich erschafft. Gemäss dem Online-Wörterbuch dwds.de kam «mithilfe» vor 1996 praktisch nicht vor. Etwas älter ist das – damals «legalisierte» – Adverb «infrage», das aber nur zusammen mit «kommen, stehen, stellen» auftritt. Vorne im Duden steht dazu: «Man schreibt ein [verblasstes] Substantiv mit einer Präposition zusammen, wenn die Fügung zu einer neuen Prä­position oder einem Adverb geworden ist. In vielen Fällen kann die Fügung auch als Wortgruppe angesehen und getrennt geschrieben werden». Die Empfehlung für «mithilfe» begründet der Duden so: «Bei Fügungen dieser Art empfehlen wir jeweils die zusammengeschriebene Variante, da (nur zusammenzuschreibende) Fälle wie ‹beiseite›, ‹inmitten› oder ‹zuliebe› eine gewisse Tendenz zur Einwortschreibung erkennen lassen.»

Eine neuere Wortschöpfung dieser Art leistet das Schweizer­deutsche. Getrennt geschrieben, steht die Redewendung «im Fall» seit 1995 im Wikipedia-Wörterbuch Wiktionary, mit der Erklärung: «schweizerisch: nur dass du es weisst; nebenbei bemerkt»; ähnlich im «Variantenwörterbuch des Deutschen» (2004; 2016 qualifiziert als «Grenzfall des Standards»). Google findet die erste Zusammenschreibung 2003 in einem Forum für Drogenfragen: «das würde ich imfall auch als hängengeblieben anschauen.»

In Diskussionen im Internet wird oft mundartlich geschrieben, auch zusammen, wenn man’s so sagt. Zusammengeschrieben taucht «imfall» ab 2004 in Presseartikeln auf, zunächst mundartlich, dann in persönlich gehaltenen Texten zunehmend auch ins Hochdeutsche eingefügt. 2016 hat «imfall» im Wiktionary einen eigenen Eintrag bekommen, leider mit der abschätzigen Erstdefinition «unverfroren selbstgerechte Art, ein angebrachtes Argument zu betonen», zitiert aus watson.ch.

Für mich bedeutet die Bekräftigung «imfall» so etwa «ich sage es für den Fall, dass du daran zweifelst (oder es noch nicht weisst)». Auch versöhnlich, beschwichtigend kann es sein: «Das war imfall nicht bös gemeint.» Derart vielschichtig mit neuer Bedeutung aufgeladen, ist «imfall» eine echte Wortschöpfung, keine blosse Zusammenschreibung. Es wäre als Helvetismus nachgerade Duden-würdig, jedenfalls für den Spezialband «Schweizerhochdeutsch». Aber vielleicht wollen wir Deutschschweizer «imfall» gar nicht exportieren, weil: «Das wämmer imfall für eus bhalte.»

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)