261: «Der Bund», 10.1.2020

Spoiler Alert: Hier wird Kudos nicht gelikt

Kein Chapeau für die Tamedia-Redaktion: Mit «Kudos für Viola Amherd» hat sie aus Anlass des Bundesratsfotos ein ausgefallenes Wort des Lobes verwendet, ohne erkennbaren Grund und ohne Rücksicht auf die – vermutlich zahlreichen – Leute, die das englische Wort nicht kennen. Auch die meisten Angelsachsen wissen wohl nicht, dass es sich dabei um das griechische «Kydos» handelt: «Ruhm, Ehre». Sie halten es eher für einen Plural und werden darin durch einzelne Internet-Plattformen bestärkt, die das Wort anstelle von «Likes» verwenden.

Das digitale Daumenhoch hat es als Verb «liken» in den jüngsten Duden geschafft; «du likst», soll man schreiben, aber «laikst» sagen. Sonst klänge es ja wie «du leakst», also «du rinnst» oder «lässt etwas durchsickern». Im Duden fehlt «leaken» noch genauso wie «Kudos», aber es ist in der Presse weit geläufiger. Dasselbe gilt für «crashen», wenn etwas zusammenbricht oder ‑prallt. Oder auch nur übereinstimmt: «Manchmal crashen Fiktion und Realität», schrieb ein Blatt, weil ein im Film «ständig beischlafwilliger» Schauspieler bezichtigt wurde, er habe im Leben draussen entsprechende Übergriffe begangen.

Der Hang zu englischen Wörtern ist ausgerechnet im Feuilleton besonders ausgeprägt, wo man doch gutes Gespür für die eigene Sprache erwarten dürfte. Da stecken Topshots und ihre Bodyguards in der Rushhour fest. Da erleben Biopics ein Revival, und seien sie nur reloaded. Da muss Aschenbrödel Cinderella sein. Wer einen Pageturner schreiben oder einen Blockbuster drehen will, muss aus einem grossen Storypool einen Plot voller Cliffhanger pullen. Zugegeben, ich habe gemischt und verdichtet, aber mit echten Zutaten aus Zeitungstexten.

Manchmal ist es einfach Fachsprache, die da einem allgemeinen Publikum zugemutet wird. «Biopic» ist griffiger als «biografischer Film», und allmählich versteht man es auch. Bodyguards treten auch schon im wirklichen Leben auf, sind aber kaum beeindruckender als Leibwächter – erst recht nicht, wenn sie im Stossverkehr feststecken. Wenigstens hat man schon die englischen Wörter verstanden und kann sie als Nachplappern oder Wichtigtuerei abtun. Gefahr droht, wenn das Fachsimpeln ausartet. Steht etwa in einer Besprechung «Spoiler Alert», dann muss man sofort begreifen: Weiterlesen verdirbt die Spannung und der Kinobesuch ist vermiest. Oder das besprochene Buch ist kein Pageturner mehr, der zum pausenlosen Weiterlesen nötigt.

Was der Kulturteil kann, kann der Wirtschaftsteil schon lang. Er wird ja von Managern, Marketing- und PR-Leuten ausgiebig mit imageförderndem Input versehen, auf dass all die CEOs, COOs, CFOs ihre Performance ins Spotlight rücken können. Die Chief Officers, international und erst noch geschlechtsneutral tituliert, lassen ihre Corporate Guidelines gern zum Copypasten verbreiten. Da fördert einer die Awareness seiner Human Resources, wenn die Belegschaft gefälligst bei der Sache sein soll. Dort beteuert eine ihr Commitment zum Benefit nicht nur der Shareholder, sondern aller Stakeholder: Auch den betroffenen Nicht-Aktionären soll das Tun der Firma frommen.

Selbst Non-Profit-Organisationen, also ohne Gewinnabsicht tätige, eignen sich gern Geschäftsgebaren an, und das entsprechende Vokabular dazu. Sie müssen ihre Agenda so implementieren, dass sie einen Return on Investment vorweisen können. Nur so können sie mit Fundraising bei den Donors mehr Geld lockermachen. Denen winken bei genügender Einlage allerhand Incentives statt bloss die unverlangt zugeschickten Goodies. Da gibt es abgestufte Sponsorenkategorien mit klingenden Namen und standesgemässen Einladungen. Ob man den jährlichen, eher wie ein Recall vom Zahnarzt anmutenden Telefonanruf schon dazurechnen darf, ist eher fraglich. Und daher kann es einem passieren – ist es mir passiert, dass die freundliche Dame vom Hilfswerk ein «Upgrade» der Zuwendungen vorschlägt.

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)