«Der Bund», 28.5.10
Ein Loblied auf Ännchen von Kalau
Halt, das Lied gibts doch längst, aber es gilt Ännchen von Tharau. Welch schlimmer Kalauer, die Pfarrerstochter aus Ostpreussen in die Niederlausitz zu verfrachten! Dort gibts tatsächlich ein Calau, und laut Duden stand das Städtchen dem französischen Wort «calembour» zu Gevatter, das wiederum den deutschen Kalauer gezeitigt habe. Der französische Ursprung scheint gesichert, aber er ist kaum auf die ostdeutsche Geografie zurückzuführen.
Eine geläufigere Erklärung lautet, einst habe ein Graf von Kahlenberg als Diplomat in Paris die französische Sprache derart misshandelt, dass die Imitation seiner Sprechweise als «kalembour» verewigt wurde. Jedenfalls ist heute «le calembour» ein Witz, der sich eine ähnliche Schreibung oder Aussprache unterschiedlicher Wörter zunutze macht. Auch sprachübergreifend lässt sich trefflich kalauern: Aus der Schule, oder zumindest aus der Pause, kennen wohl alle die Übersetzung von Mäusebussard (le musée des beaux arts).
Zugegeben, damit sind wir in der Nähe der Duden-Definition des Kalauers als «nicht sehr geistreicher (Wort)witz». Über Geistreichtum lässt sich streiten, aber zumindest die Klammern um «Wort» müssten weg. Das ist ein Problem nicht des Duden, sondern des Sprachgebrauchs, den das Wörterbuch getreulich wiedergibt: Es wird nachgerade jeder faule Witz als «Kalauer» präsentiert, auch wenn er nicht das Geringste mit einem Wortspiel zu tun hat. «Das konnte sich die UBS gerade noch leisten», so «kalauerte» laut dem «Bund» neulich ein Buchhalter, dem die Bank aufgrund einer Betreibung «222 Franken mitsamt Zinsen» überwiesen hatte.
Mit Verlaub: So kann jeder «kalauern» – aber zum echten Kalauer, und sei er noch so faul, brauchts nun mal ein Quäntchen Wortwitz. Es muss ja nicht immer so gerüttelt sein wie beim ehemaligen YB-Fussballer Lars Lunde, der sich neulich ebenfalls im «Bund» als «manchmal etwas balltotschig» bezeichnete. Das ist so geistreich, dass es keine Rolle spielt, ob der Däne «tollpatschig» (es lebe die neue Rechtschreibung!) mit oder ohne Absicht umgedreht hat. Zum Glück tat er es vor der Finalissima im Wankdorf, sonst hätte man meinen können, er spiele seinen Nachfolgern einen Ball zu. Die hätten dann sofort Lunte gerochen.
Aber nochmals halt: Spässchen mit Namen sind im «Bund» zu Recht streng verpönt. Also bitten wir Ännchen von Tharau und Lars Lunde um Verzeihung dafür, dass wir ihre Namen missbraucht haben: Es geschah wenigstens für eine gute Sache, zur Ehrenrettung des Kalauers. Nie und nimmer würde in diesen Spalten ein Name mit böser Absicht verhunzt. Hiesse zum Beispiel irgendwo ein Politiker Verlustoni, könnte er sich noch so viel verlustieren, er brauchte den Verlust seines guten Namens nicht zu befürchten.
Nicht die fremden Namen, wohl aber die fremden Sprachen sind legitime Quellen für Kalauer – besonders wenn sie selber daran so reich sind wie das Englische; nicht umsonst reimt sich dort «pun» auf «fun». Wer «pun» abschätzig gebrauche, verkenne, dass damit Wortspiele jeglicher Qualität gemeint seien, schreibt der Oxford Dictionary. Und solche Verächter der «puns» zeigten, dass ihnen «der Witz fehlt, selber welche zu machen». Wohlan denn: Kennen Sie das Gegenteil von Big Ben? Natürlich Mikroben!
© Daniel Goldstein