«Der Bund», 14.5.10
Belastete Wörter meiden – oder entlasten
Ist Asylant ein Schimpfwort oder einfach eine Kurzform für Asylbewerber? Wer sich solche Fragen stellt, findet seit kurzem Antworten im Glossar der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (www.gra.ch/bildung/gra-glossar). Die Liste «historisch belasteter oder vermeintlich belasteter» Wörter wird laufend ausgebaut; zu jedem Stichwort finden sich Angaben über Herkunft und Verwendung, aber keine direkten Empfehlungen. Man kann dank diesen Informationen selber entscheiden, welchen Wortgebrauch man für «politisch korrekt» hält. Allerdings ist auch dieser Begriff belastet. Als amerikanische Colleges mit Sprachregelungen die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten bekämpfen wollten, brauchten ab etwa 1990 konservative Verfechter freier Rede «political correctness» als Kampfwort gegen derlei Vorschriften.
Das Wort «Asylant» kam laut GRA etwa 1970 auf, von Anfang an in fremdenfeindlichem Sinn, und hat daher eine «klar abwertende Bedeutung». Dies komme nicht von der Wortbildung: Zwar gebe es missliebige «-anten» wie den Querulanten und den Intriganten, daneben aber auch respektierte Intendanten und Lieferanten. Letzteren steht ein deutsches Tätigkeitswort zu Gevatter, meist aber ist es ein lateinisches Verb. Freilich hält das Glossar fest, zu «asylum» (Zufluchtsort) existiere gar kein Verb.
Um diesen Faden weiterzuspinnen: Gäbe es «asylare», so müsste es wohl «Asyl gewähren» bedeuten, der Asylant wäre demnach der zuständige Beamte. Darauf muss man erst mal kommen – aber auch in der Umgangssprache ist gar nicht so klar, was genau mit Asylant gemeint ist. Ist einer, der Asyl bekommen hat, noch einer? Die Behörden reden konsequent – und erst noch geschlechtsneutral – von Asylsuchenden, solange noch kein Entscheid gefallen ist; danach gibt es abgewiesene Asylsuchende oder eben anerkannte Flüchtlinge.
Nun ist diese Unterscheidung jenen, die abschätzig von Asylanten reden, wohl ziemlich egal. Alle andern aber sollten sich nur schon um der Klarheit willen an den amtlichen Sprachgebrauch halten. Tun sie es nicht, dann laut dem Glossar deshalb, weil sie «den fremdenfeindlichen Ton entweder übernehmen oder überhören». Und, so wäre beizufügen, beim Lesen oder Zuhören möchte man nicht unbedingt raten müssen, ob dieser Ton mitgemeint ist oder nicht.
Allerdings ist es eine leidige Sache, wenn der Sprache alteingesessene Wörter – zu denen Asylant nicht gehört – abhanden kommen, weil sie einen negativen Beigeschmack entwickeln. So zitiert das Glossar eine Duden-Empfehlung von 2004: «Die Bezeichnungen Neger, Negerin sollten im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr verwendet werden, da sie zunehmend als Diskriminierung empfunden werden.» Und es führt als «selbstbestimmte Bezeichnungen für dunkelhäutige Menschen» an: «Schwarze», «Schwarzafrikaner», «Afrodeutsche» oder «Afroamerikaner».
Die «Selbstbestimmung» ist da allerdings nicht so eindeutig: Es gibt amerikanische Schwarze, die sich an die Devise «black is beautiful» halten, während andere, oder die gleichen, «Afro-American» als Unterordnung der afrikanischen Wurzeln empfinden und «African American» vorziehen. Frankofone mögen sich daran erinnern, dass Senegals Landesvater Senghor mit Stolz von der «négritude» als prägender und zu pflegender Eigenart sprach. Er versuchte damit, das schon damals belastete Wort «nègre» quasi zurückzuerobern – ähnlich wie es bei uns seither die Homosexuellen mit «schwul» getan haben.
© Daniel Goldstein