«Der Bund», 5. 6. 2015
Brand löschen mit Sauser im Stadium
Wenn wir die Sauser-Saison abwarten, ist es möglicherweise schon zu spät: Der beliebte «Sauser im Stadium» könnte bis dann verboten sein. Weil nämlich unter «Stadium» nicht mehr ein Zustand – in diesem Fall einer der Gärung – verstanden wird, sondern eine Sportstätte. Und wenn in dieser strenge Sitten herrschen, erhält schon leicht vergorener Traubensaft Stadionverbot. Denn die Anlage, die wir bisher mit einer Dauerleihgabe der alten Griechen Stadion nannten, taucht neuerdings nach einem Umweg über Römer und Angelsachsen als «Stadium» auf.
Ausgerechnet ein «Olympiastadium» (in München) hat neulich der «Kulturtipp» der Schriftstellerin Ruth Schweikert in den Mund gelegt. In weniger gediegenen Gazetten ist das sportliche «Stadium» schon länger anzutreffen – durchaus korrekt, wenn etwa das Stamford Bridge Stadium des Fussballklubs Chelsea in London mit vollem Namen genannt wird, oder auch nur das Allianz Suisse Stadium in Tramelan. Das französische «stade» ist offenbar nur noch fürs Stade de Suisse gut genug. Ist «Stadium» nicht im Namen enthalten, so ist es als Bezeichnung einer Sportanlage auf Deutsch noch eine Rarität. Aber englische Namen gelten auch hierzulande als schick, chic oder cool. «Build a Stadium» nennen sich in Schönenwerd die Promotoren einer «Sport- und Eventhalle Mittelland».
Müssen wir uns vom altbekannten «Stadion» verabschieden und das Fremdwort durch ein anderes ersetzen, nur weil das neue dem angloglobalen Zeitgeist entspricht? Bereits weit fortgeschritten ist diese Anpassung beim Diner: Das gehobene Gastmahl, meist ohne Sauser, wird immer häufiger als Dinner bezeichnet. Die angelsächsische Haute Cuisine hat die französische schon in den 1980er-Jahren überholt – jedenfalls wenn man aufs einfache bzw. doppelte n in jenen Publikationen abstellt, die in der Schweizer Mediendatenbank archiviert sind.
Etwas jüngeren Datums ist die schleichende Pensionierung des Leibwächters: Etwa um die Jahrtausendwende begann ihm der Bodyguard den Rang abzulaufen. Vielleicht hat ihm der Film «The Bodyguard» dabei geholfen, vielleicht auch die Selbstdarstellung der Sicherheitsbranche, die sich gern «up to date» gibt. Der Film von 1992 war ein Blockbuster, und etwa um jene Zeit begann man auch auf Deutsch, für Erfolgsfilme dieses Wort zu verwenden. Ursprünglich bezeichnete es eine schwere Bombe, die ein ganzes Strassengeviert (block) zertrümmern konnte. Wer heute einen Film noch als Kassenschlager einstuft, wirkt hoffnungslos veraltet.
Es geht hier nicht darum, das «deutschere» Wort vorzuziehen (auch «Kasse» ist romanischen Ursprungs). Es geht auch nicht darum, Wörter nur deswegen zu verbannen, weil sie aus England und Amerika zu uns kommen oder auch bloss so klingen. Manche sind durchaus «gäbig» (engl. «handy»), wie eben «Handy». Aber ein Date oder gar Speeddate finde ich weniger verlockend als ein Rendez-vous, und mir will nicht einleuchten, weshalb man bekannte und bezeichnende Wörter wie «Kassenschlager» oder «Leibwächter» in die Rumpelkammer sperren soll, nur weil Englisch Mode ist.
Besonders reizvoll ist es, wenn das überflüssige Ersatzwort in deutscher Gestalt daherkommt, so wenn die Marke zum Brand wird. In einem «Werbeporträt» ist gar von einem «Occasionsbrand» die Rede, wobei es nicht ums Abfackeln, sondern ums Auftakeln alter Autos geht. Gegen einen solchen Brand hilft auch kein Feuerwall – so heisst laut Duden jene Brandmauer, die den Computer vor Eindringlingen schützt, wenn sie nicht «die Firewall» heisst. Auch «Feuerwand» wird gelegentlich verwendet, wenn eine schützende gemeint ist und nicht wie bisher eine bedrohliche, wie es die Front eines Waldbrands ist. Da hilft nur eines: die Löschtaste.
© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)