«Klartext», Februar 2010

Taten im Mund

«Jetzt tuts dann gleich ein bisschen weh», griff der Zahnarzt zum Bohrer. Dem Patienten tut da der Zahnnerv weh, der Leserin aber hoffentlich der Sprachnerv. Denn der hat nach dem Zitat eine Mitteilung darüber erwartet, wer das gesagt hat, allenfalls auch wo, wie, wann und warum. Aber auf den Griff zum Bohrer war der arme Sprachnerv überhaupt nicht gefasst: Da hat der Schreiber dem Zahnarzt eine Tat in den Mund gelegt. Dass nicht nur die Tat dem Dentisten zuzuschreiben ist, sondern auch das warnende Wort, müssen wir uns schon selber ausmalen. Die Sache wäre klar, wenn der Satz so begonnen hätte: «Mit den Worten ...». Freilich tönts damit weniger dramatisch.

Was soll in einem Medienmagazin der Ausflug in die Zahnarztpraxis? Der Satz ist kein Zitat, doch er steht für ein Sprachmuster, das seit etwa 20 Jahren in hiesigen Zeitungen und Zeitschriften anzutreffen ist. Meist nicht in ganz so krasser Form, obwohl auch das vorkommt: «Man habe ähnliche Probleme immer überwunden, klopften sie sich auf die Schulter.» Da braucht es schon recht viel guten Willen, um das Schulterklopfen als Form der Äusserung zu verstehen. Oder es braucht kunstvolle Klopfzeichen, um sich so über den Umgang mit Problemen zu unterhalten.

Häufig aber werden Wort und Tat gemischt: «,Besser kann es ein Fussballer nicht habenʻ, greift er zum Superlativ.» Einmal davon abgesehen, dass er nur einen Komparativ erwischte, auch wenn er damit ein Optimum ausdrückte: Die Leserin merkt ohnhin, dass der zufriedene Sportsmann eine Steigerungsform verwendet hat. Sein journalistisches Gegenüber hätte die Äusserung mit einem geeigneten Verb mitteilen können, statt sie bildlich als Griff in die Sprachkiste darzustellen. Falls «sagen» in jenem Text schon allzu oft gesagt war: Der Fussballer hat vielleicht frohlockt, jubiliert oder geprahlt. Wenn mit der Aussage eine Tat verbunden war oder der Reporter das so sehen will: bitte separat!

«Jetzt tuts dann gleich ein bisschen weh», warnte der Zahnarzt und griff zum Bohrer.

© Daniel Goldstein