Pilzregel und Weglass-Test
Manch ein Unsinn entsteht durch Übereifer bei der neuen Rechtschreibung, daher empfiehlt sich die Pilzregel: Nur «neu» schreiben, was man genau kennt – besonders wenn man glaubt trennen zu müssen, was zusammengehört. Bei der jüngsten Revision sind einige der seltsamen Trennungen abgeschafft oder für fakultativ erklärt worden; andere waren gar nie rechtens, zum Beispiel diese: «Der Stadtrat wird das Bettelverbot gut heissen.» Da kann man nur «gutheissen» gutheissen.
Ein etwas schwierigerer Fall: «Die Aktienhausse wird weiter gehen.» Das Sprachgefühl sträubt sich – zu Recht! Nach Duden kommt es bei «weiter» im Sinne der Fortdauer auf die Betonung an: «im Allgemeinen zusammen, wenn 'weiter' die Hauptbetonung trägt, und getrennt, wenn das Verb gleich stark betont wird». Das Verb betonen kann man nur, wenn es ein «Eigenleben» hat, wenn also hier die Aktienhausse «gehen» kann, ohne «weiter». Daraus folgert der Weglass-Test. Er beruht auf folgender inoffizieller Regel:
Verbindungen von Verb und Adverb dürfen nur dann getrennt werden, wenn der Satz auch ohne das Adverb sinnvoll ist.
Der Test besteht darin, das Adverb wegzulassen. Als unsinnig entpuppen sich Sätze wie:
- «Der Test besteht darin, das Adverb zu lassen»: ergo ist «weg zu lassen» falsch;
- «Maultiere können sich nicht pflanzen»: also auch nicht «fort pflanzen»;
- «Ich möchte meine grauen Haare werden»: darum müssen wir «los werden» loswerden.
- «Der Stadtrat wird das Bettelverbot heissen.» (siehe oben)
Achtung: Verbformen wie «er liess das Adverb weg» sind von diesem Trennverbot natürlich nicht betroffen.
Achtung, Achtung: Die Regel ist nicht umkehrbar. Auch ein Adverb, dessen Weglassung keinen Unsinn bewirkt, gehört manchmal angehängt. Beispiel: «Die Aktienkurse werden zurückfallen.» («Die Aktienkurse werden fallen» geht auch).
Meine Bitte an alle Tester: Bringt mir Fälle, in denen das Adverb getrennt geschrieben wird, aber dennoch unentbehrlich ist, damit der Satz überhaupt einen Sinn hat.
© Daniel Goldstein