Genommene Hüte

Eine Zuschrift von Gustav A. Lang, Brissago:

Wieder hat einer «den Hut genommen», wie der «Bund» berichtet. Doch auf dem grossformatigen Bild ist mitnichten ein Hut zu erkennen; (Männer-)Hüte sind halt etwas aus der Mode geraten, und so ist es in fast allen Fällen nicht mehr möglich, seinen oder einen anderen, gar fremden Hut zu nehmen.

In den Gazetten werden regelmässig nicht allein Hüte genommen, sondern ebenfalls «Handtücher geworfen», was wohl doch auch eher schwierig sein dürfte, liegen besagte Frottiertücher doch in aller Regel, wenn nicht im realen Boxring, so grossmehrheitlich eben im profanen Waschraum. Ja: Redensarten überdauern halt, im übertragenen Sinn, meist die sich ändernden Realitäten.

Höchst makaber bleibt es, wenn bei personellen Abgängen nicht allein Hüte genommen und Handtücher geworfen werden, sondern sogar «Köpfe rollen». Das war allerdings selbst im allerchristlichsten Abendland seinerzeit keine Seltenheit. Dieses blutige «Brauchtum» ist jedoch zum Glück weitherum aus der Mode gekommen – es sollte nunmehr auch aus der Sprache und damit aus unseren zivilisierten Köpfen wegrollen.

Lg. hat natürlich, wie schon zu seinen Amtszeiten als Sprachpfleger (und Vizechefredaktor), völlig recht. Freilich entwickeln Bilder ein gewisses Eigenleben, gerade deshalb werden sie ja als Bilder verwendet und nicht als Schilderungen mit Realitätsanspruch. Also kann auch ein Mensch, der keinen Hut besitzt, denselben nehmen. Das ist jedenfalls besser, als ihn das Handtuch werfen zu lassen – denn dieses Bild ist mit einem Geburtsfehler behaftet: Nicht der aufgebende Boxer wirft ja das Handtuch, sondern der Trainer, der ihn aus dem Kampf nimmt. Mit einem ähnlichen Fehler wird oft von Frankenstein geredet, wenn Frankensteins Monster gemeint ist. Womit wir beim Makabren wären: Das Köpferollen sollten wir wirklich bleiben lassen. Vorsicht ist bei Bildern auch dann geboten, wenn sie wie unbeabsichtigter Humor wirken können – etwa neulich im Sportteil, als ein Schweizer Hockeyspieler in Nordamerika für seine Landsleute «das Eis brach». Er wurde denn auch prompt heimgeschickt.

Übrigens: Bei «denn auch» darf das «auch» nicht weggelassen werden; diese neuartige Kürzewürze geht denn doch zu weit.

© Daniel Goldstein