«Abfuhr» für Anführungszeichen
Anführungszeichen werden manchmal gesetzt, wenn Schreibende ein Wort nicht ganz passend finden oder sich vornehm von diesem distanzieren wollen. Das ist meistens problematisch – erstens zeigt es, dass man keinen ganz passenden Ausdruck gefunden hat, und zweitens ist oft unklar, ob die Anführungszeichen ein Zitat wiedergeben oder nicht.
Der Geländewagenclub distanziert sich von solchen «Hass-Mails». – Hat er selber sie so genannt, oder findet der Autor, dieser bei uns noch ungewohnte Ausdruck müsse mit Anführungszeichen wattiert werden?
(Ein Clubmitglied) «versteigt» sich sogar zur Aussage: «Wir sind auch grün.» – Hat der Mann selbstironisch von «versteigen» gesprochen, oder stuft der Autor die Aussage so ein, mag aber nicht ganz dazu stehen?
Das Land belegte einen Spitzenplatz auf der Liste der «Schurkenstaaten». – Die Anführungszeichen sind als Distanzierung und zugleich eine Art von Zitat in Ordnung: Der Ausdruck ist nun mal im Umlauf, auch wenn seine amerikanischen Schöpfer ihn inzwischen aus dem offiziellen Sprachgebrauch gestrichen haben. Man könnte auch von «sogenannten Schurkenstaaten» reden, dann ohne Anführungszeichen.
Prodi nach dem «Punktesieg». – Der Text unter diesem Titel gab keinen Anlass zur Vermutung, da liege ein Zitat vor. Allerdings verstand man erst bei der Lektüre, dass hier nicht ein «Sieg nach Punkten» wie im Boxen gemeint war, sondern Prodis Vorgehen, sein Lager auf eine Reihe von Punkten einzuschwören.
(Zu Wasserfallens Lebzeiten hat ihm die Stadtregierung das Thema Bahnhofordnung) noch so gerne überlassen und liess ihn «zum Degen» greifen. Nun agiert der Gemeinderat mit dem «Florett». – Zwar kommt man kaum auf die Idee, der Rat habe sein Mitglied wörtlich mit dem Kommando «zum Degen» losgeschickt, aber die Anführungszeichen brauchts trotzdem nicht: Es handelt sich um gängige Bilder, die ohne weiteres so verstanden werden.
Fazit: Anführungszeichen nie aus Verlegenheit, stets mit Bedacht und zurückhaltend verwenden!