Sprachspiegel-Buchtipp, Okt. 2018
«Duden Schweizerhochdeutsch» in erweiterter neuer Auflage
Hans Bickel / Christoph Landolt: Duden Schweizerhochdeutsch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin 2018. 112 S., ca. Fr. 15.–.
Der vom SVDS herausgegebene Helvetismen-Duden hat sich seit seinem Erscheinen 2012 als Dauerläufer erwiesen. Nach der Auslieferung von ungefähr 12'000 Exemplaren hat der Dudenverlag soeben eine zweite, erweiterte Auflage veröffentlicht. Zu den 3000 Einträgen sind etwa 500 neue gekommen, ausgewählt und bearbeitet wiederum von den beiden Idiotikon-Redaktoren Hans Bickel und Christoph Landolt. Wie sie dem «Sprachspiegel» erläutern, stammen die Ergänzungen «aus verschiedenen Quellen wie Eigenbeobachtung, von Gewährspersonen, aus der wissenschaftlichen Literatur und aus den Wörterbüchern des Dudens sowie dem Variantenwörterbuch», oft mit Text-Datenbanken überprüft.
Amtlich, beruflich, alltäglich
Die von den Autoren mitgeteilten Änderungen zeigen schon beim Buchstaben A die fürs ganze Werk feststellbare Zusammensetzung. Helvetismen verteilen sich demnach hauptsächlich auf die Bereiche Amtliches und Halbamtliches, Beruf und Freizeit sowie Umgangssprache. Im ersten Bereich sind neu z. B. Abfallrechnung (einer Gemeinde, nicht die an Haushalte zugestellte), Abfuhrwesen, Adjunkt Adjunktin, der bzw. die Amtsälteste (die fast immer verwendete Doppelnennung wird im Folgenden nicht wiederholt), ausheben (Wehrpflichtige), ferner ARA ohne Aussprachevermerk, während AdA für Angehörige der Armee neu den Vermerk trägt, es werde «als Wort gesprochen».
Wort gewordener Kantönligeist
Dazu kommen als kantonale Besonderheiten Amtei (SO) und Aussenwacht (einzeln gelegener ZH-Ortsteil). Ferner ist korrigiert worden, dass ein Anzug (Postulat) in BS kein Antrag des Parlaments an die Regierung ist, sondern nur eine Anregung. Als «besonders in beiden Basel» gebräuchlich ist Advokat aufgenommen worden, das «dtl. [deutschländisch] veraltet» sei. Das deckt sich mit der Einschätzung im «Variantenwörterbuch des Deutschen» (De Gruyter 2016), das Advokat auch als manchmal «abwertend» bezeichnet; Hans Bickel ist für beide Werke mitverantwortlich. Gemäss Duden 1 (Rechtschreibung) dagegen ist das Wort «gehoben».
Neu für Berufs- und Vereinstätige: Abdeckband (nur umschrieben, ohne das in Deutschland und Österreich gebräuchliche Kreppband), Ablöser (Aushilfe), Absenden (am Schützenfest u. Ä.), Alpe (im Wallis für Alp) samt Alpgenosse und Alphütte, anschreiben (Preis), Aufbauer (Spielmacher im Sport), Aufgabenbüchlein, Auslandchef (Redaktion), Austritt. Umgangssprachliches ist entweder als «ugs.» oder als «salopp» gekennzeichnet: abzotteln, Absteller (Anlass für schlechte Laune), auflesen (Krankheit). Ebenfalls neu und eher umgangssprachlich, aber solche Kennzeichnung: abschlagen (jemanden), aufschnaufen, aufnehmen (Boden), Aufwisch (im gleichen A.), auskommen (bekannt werden). Neues für den Verkehr: Amerikanerwagen (sagt das noch jemand?), Ausserortsbereich, Autobahnverzweigung, Autosilo, Autoteilet(e).
Einstufung «mundartnah» selten
Von allen bisher genannten Wörtern ist nur das letzte als «mundartnah» markiert; beim schon in der ersten Auflage angeführten abschleichen ist diese Markierung verschwunden. Soweit die Einträge von «Schweizerhochdeutsch» auch im Duden 1 stehen (wohl etwa zur Hälfte), kann die Einstufung abweichen; so ist das Adjektiv gefreut nur dort markiert (als «mundartlich»).
Zum mundartnahen Ämtli liefert «Schweizerhochdeutsch» jetzt auch das unmarkierte Ämtchen (steht im Duden 1 ohne Landes- oder Bedeutungsangabe). Neu und mundartnah weiter unter A nur noch: Änisbrötli, Antrinket(e), aushängen – wie es einem nach einen Ablöscher passieren kann. Der wiederum hat eine neue Definition bekommen: «Stimmungkiller» statt «Anlass für schlechte Laune». Für Letzteres haben wir ja jetzt das «saloppe» Wort Absteller.
Helvetismen sind hochdeutsch
Gestrichen wurde als einziges Wort unter A Abstellplatz – das steht ohne Landesangabe im Duden 1, ist also kein Helvetismus, sondern gemeindeutsch. Damit keine Verwirrung entsteht: Auch die Helvetismen gehören zur Standardsprache, die wir Hoch- oder Schriftdeutsch nennen, und können ohne Bedenken verwendet werden. Zu achten ist nur darauf, ob sie auch verständlich sind, wenn man sich etwa an Norddeutsche wendet, und ob Mundartnahes wirklich in den Text gehört, an dem man gerade arbeitet.
Aus stilistischen Gründen kann man auch Wörter meiden, die zwar in «Schweizerhochdeutsch» stehen, indessen kurios wirken, etwa Allerheilmittel (schon in der 1. Auflage) oder Allzeithöchst (neu). Sie werden zwar in der Schweizer Presse tatsächlich ab und zu verwendet, aber weit weniger häufig als die gemeindeutschen Allzeithoch (duden.de) und Allheilmittel (oder, etwas anders, Allerweltsmittel, beide im Duden 1).
© Daniel Goldstein (Sprachspiegel – www.sprachverein.ch)