Sprachspiegel-Buchtipp, Juni 2017
Eduard Blocher
als
Obmann des Deutschschweizerischen Sprachvereins
Artur K. Vogel / Bernard Reist: Die drei Leben des Pastors Blocher. Editions Monographic, Sitten 2017. 460 Seiten, ca. Fr. 35.–
Von den drei Leben Eduard Blochers interessiert hier das dritte, nach jenem als Pfarrer bei der Fremdenlegion in Algerien und jenem in der protestantischen Walliser Diaspora. Denn als Blocher Spitalpfarrer in Zürich war (1905–1942), diente er dem Deutschschweizerischen Sprachverein zunächst als Schriftführer, dann bis zu seinem Tod als Vorsitzer. Aus den «Mitteilungen» des Vereins, in denen er viel schrieb, ist die Zeitschrift «Sprachspiegel» hervorgegangen, die es immer noch gibt.
Die Buchautoren (ehemals Chefs der «Bund»-Redaktion bzw. der SDA) räumen in ihrem separat auf Deutsch und auf Französisch erschienenen «historischen Roman» dem sprachpolitischen Leben nur einen Randplatz ein. Blocher folgte der Linie, die sich der Verein bei seiner Gründung 1904 gesetzt hatte: «Liebe und Verständnis für die deutsche Muttersprache wecken, das im Sprachgefühl schlummernde Volksbewusstsein kräftigen und der deutschen Sprache auf schweizerischem Boden zu ihrem Recht verhelfen». Das war so kämpferisch und sogar «völkisch» gemeint, wie es klingt: Der Verein glaubte auf der deutschen Seite der Sprachgrenze gegen die «Verwelschung» antreten zu müssen, setzte sich umgekehrt aber auch für deutsche Schulen im Berner Jura ein.
«Sprachgenossen im Reich»
Der Ton, den Blocher – besonders deutlich ausserhalb des Sprachvereins – anschlug, befremdet heute. Im Ersten Weltkrieg tritt er für «unsere Sprachgenossen im Reich» ein, denen in der welschen Presse «gehässigste französische Verleumdungen» entgegenschlügen. Nach dem Krieg kritisiert er nicht nur den Versailler Frieden, sondern auch den Völkerbund, welcher der «empörenden Unterdrückung unserer Muttersprache» diene. In der Schweiz hat für ihn «das deutsche Volkstum das entscheidende Übergewicht» (1915). Noch deutlicher: «… ist der germanische Blutsteil der beste, den wir haben» (1923, zitiert nicht im hier besprochenen Buch, sondern in Christophe Büchis «Röstigraben», NZZ-Verlag 2000). Wenn er schreibt, «in der deutschen Schweiz nehmen die Bürger an den Gemeindeangelegenheiten grösseren Anteil» als in der welschen, dann klingt sein Enkel Christoph, der heutige Politiker, wie ein verstärkendes Echo: «Die Welschen hatten immer ein schwächeres Bewusstsein für die Schweiz.» («Basler Zeitung», 12. 2. 2014).
Enttäuscht, nicht «entdeutscht»
Anders als manche seiner Weggefährten äussert Eduard Blocher Abscheu vor dem «ganzen nationalsozialistischen Rassen- und Abstammungsrummel». Er trauert der deutschen «Schweizbegeisterung» nach, die schon wegen der «notwendigen Zurückhaltung» der Schweiz im Krieg gelitten habe. Umgekehrt «musste sich unser Widerspruch zum Widerstand verhärten», wegen der Ausfuhr des Nationalsozialismus nach Österreich. Die klaren Worte tragen ihm Kritik ein. Ein alter Weggefährte schreibt, wenn im neuen Krieg die Alliierten siegten, dann wäre die Arbeit des Sprachvereins umsonst gewesen, «denn dann wird die ganze Schweiz … gründlich ‹entdeutscht›».
Sie wurde es nicht, vor allem weil es niemand versuchte. Der «Sprachspiegel» nahm sich bei seiner Gründung 1945 zwar vor, «die Rechte der deutschen Sprache auf Schweizerboden (zu) wahren», konnte sich aber in der Folge auf sein Hauptziel konzentrieren, Mundart und Schriftsprache «im Gleichgewicht» zu pflegen. Der Trägerverein nahm «das gute Einvernehmen der Sprachgruppen» in seinen Zweckartikel auf und heisst seit 1994 Schweizerischer Verein für die deutsche Sprache. Den verbissenen Sprachpurismus der Anfänge hat er hinter sich gelassen. Was die Buchautoren beim Mitbegründer Otto von Greyerz gefunden haben, würde heute nicht mehr gesagt, schon gar nicht so: «… dass die deutsche Schriftsprache nicht nur durch Fremdwörter verunreinigt werden kann, sondern auch durch die Mundart».
© Daniel Goldstein (Sprachspiegel – www.sprachverein.ch)