Sprachspiegel-Buchtipp, Dez. 2016

Schweizerdeutsche Konjunktive

Aus dem Schatzkästchen der Mundart

Wilde, Michael: Der Konjunktiv im Schweizerdeutschen. Empirische Studien zu Stabilität und Wandel im deutschen Modussystem. Peter Lang, Bern 2015. 283 S., Fr. 86.–.

Die Mundart, die im Deutschunterricht oft Probleme macht, kann manchmal auch willkommene Erklärungshilfe bieten. Ein Beispiel dafür ist der Konjunktiv in indirekter Rede, der im Dialekt meist spontan verwendet wird, in der passenden Präsens-Form (K. I). Im Hochdeutschen tritt oft die Präteritum-Form (K. II) auf, sei es als Ersatz für eine nicht vom Indikativ unterscheidbare Form, als regionale Sprechweise oder weil gar nicht mehr darauf geachtet wird: «Sie sagt, sie wüsste das», statt «wisse», auch wenn es um die Behauptung tatsächlichen Wissens geht.

Der schweizerische Konjunktiv­gebrauch wird zuweilen von strengen Deutschstilisten gelobt, so von Wolf Schneider. Haben die Deutschschweizer dieses Lob verdient? Bezogen auf den Dialekt, ist das einer von vielen Untersuchungsgegenständen, denen sich Michael Wilde in seiner Dissertation widmet, auf entsprechend hohem fachlichem Niveau und mit viel Sorgfalt. Er findet tatsächlich in indirekter Rede überwiegend den K. I, recht oft auch den Indikativ, aber nur selten den K. II und fast nie dessen Umschreibung mit «würde».

Aus dem Dialekt stammt es also nicht, wenn man etwa liest, nicht hypothetisch gemeint: «Sie sagte, sie würde das wissen.» Mir scheint, in der Schweizer Presse werde neuerdings besonders häufig so formuliert. Es wäre schade, wenn das auf den Dialekt abfärben sollte, denn dieser kennt eine reiche Vielfalt an Konjunktivformen – von Wilde anhand früherer und eigener Forschung dokumentiert und analysiert.

© Daniel Goldstein (Sprachspiegel – www.sprachverein.ch)