Sprachspiegel-Buchtipp, Juni 2015

Etymologie

Auf den Spuren der Wörter im Fluss der Sprachen

Kristin Kopf: Das kleine Etymologicum. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Sprache. Klett-Cotta 2014. 284 Seiten, ca. Fr. 27.-

Wer dieses gar nicht so kleine Buch «absolviert» hat, wird sich hüten, mit den erworbenen etymologischen Kenntnissen Urteile über «richtigen» oder «falschen» Sprachgebrauch zu fällen: «Älter ist nicht wahrer, und sprachliche Ursprünge liegen oft im Verborgenen», mahnt die Autorin, obwohl sie viele Annäherungen an diese Ursprünge kennt und anschaulich zu vermitteln weiss. Obwohl das «Etymologicum» als locker verbundenes Sammelsurium daherkommt, hat es mit seinen thematisch gebündelten Vorstössen flussaufwärts im Strom der Sprachen durchaus System (wobei man an ein Flussdelta mit vielen Verzweigungen denken muss).

Dabei treten überraschende Wortverwandtschaften zutage: Was im Deutschen ein Zaun geblieben ist, bedeutet mit dem niederländischen «tuin» einen Garten und mit dem englischen «town» eine Stadt – also jeweils etwas «Eingezäuntes». Zum Hochdeutsch erfährt man etwa, die Aussprache im fernen Norden gelte deshalb als die beste, weil man sich dort nach der geschriebenen Form richten musste. Als angebliche Erklärung für die «s-t»-Aussprache ist das freilich dubios; die dürfte einfach Niederdeutsch sein.

Gern läse man etwas über die Entwicklung der Geschlechtsmarkierungen, aber Kopf begnügt sich mit ihrer (relativ leserfreundlichen) Variante des heutigen Gerechtigkeitsstrebens: Bei Kollektivbezeichnungen setzt sie nach dem Zufallsprinzip die männliche oder die weibliche Form. So kommt es, dass die Gebrüder Grimm unter den Lexikografinnen des 19.  Jahrhunderts mitgemeint sind und die Römerinnen Expansionspolitik betrieben.

© Daniel Goldstein (Sprachspiegel)