Sprachspiegel-Buchtipp, Februar 2014
Man forsche auf Deutsch!
Tagungsband zur Rolle der deutschen Sprache in den Wissenschaften
Goethe-Institut / DAAD, IDS (Hg.): Deutsch in den Wissenschaften. Beiträge zu Status und Perspektiven der Wissenschaftssprache Deutsch. Klett-Langenscheidt, München 2013. 176 S., € 19.99.
Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass eine Tagung und danach ein Sammelband der erodierenden Stellung des Deutschen als Wissenschaftssprache gewidmet ist (vgl. «Sprachspiegel» 2/2013, S. 57); für kommenden Juli ist an der Universität Regensburg ein weiterer solcher Anlass geplant.
Die jetzt anzuzeigende Sammlung zeichnet sich durch grosse Breite mit vierzig (meist sehr kurzen) Beiträgen aus. Sie ist in sechs Bereiche gegliedert: Identitätsstiftung, Erkenntnisprozess, Auslandsgermanistik, Fach- und Lehrsprachen, Öffentlichkeit, Publizieren. Neben dem Einführungsreferat von Guy Deutscher mit den Kerngedanken seines Erfolgsbuchs «Im Spiegel der Sprache» seien zwei Schwerpunktbeiträge hervorgehoben.
Deutsche Begriffswelten
Sigrid Weigel (Geisteswissenschaftliche Zentren Berlins) schildert Deutsch als «verspätete» Wissenschaftssprache, die zusätzlich zu übernommenen lateinischen Begriffen deutsche in einer besonderen Bedeutung verwende, was oft zu Übersetzungsschwierigkeiten führe; zum Beispiel sei Einfühlung nicht gleich Empathie. Zudem führten deutsche Begrifflichkeiten zu bestimmten wissenschaftlichen Denkweisen, so bei Sigmund Freud mit der Vorsilbe «ver-».
Michael Hagner (ETH Zürich) unterscheidet in sprachlicher Hinsicht Natur- und Geisteswissenschaften. Bei den Ersteren sieht er als die eigentliche internationale Sprache nicht das Englische, sondern die Mathematik; welche Sprache drumherum steht, ist sekundär. Bei den Geisteswissenschaften ist das Äquivalent der Mathematik wiederum nicht das Englische, sondern «die Pluralität der Sprachen» mit ihren vielfältigen Wegen zu Erkenntnissen.
Wie auch an dieser Tagung die Rolle des Englischen als Verständigungssprache nicht bestritten wurde, war doch dessen zunehmende Monopolstellung Stein des Anstosses, mit den oft gehörten Gegenrezepten Sprachunterricht und Publikationsförderung (inklusive stärkerer Gewichtung nichtenglischer Texte bei akademischen Bewertungen).
© Daniel Goldstein (Sprachspiegel – www.sprachverein.ch)