Sprachspiegel-Buchtipp, April 2013

Es muss nicht immer Englisch sein

Plädoyers für Deutsch als Wissenschaftssprache

Heinrich Oberreuter, Wilhelm Krull, Hans Joachim Meyer, Konrad Ehlich (Hg.): Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs. Olzog, München 2012. 280 S., Fr. 40.90

Gegen die Dominanz des Englischen als Wissenschaftssprache ist kein Kraut gewachsen. Gegen das Verschwinden des Deutschen (und weiterer verbreiteter Sprachen) aus der Wissenschaft aber schon. So lautet, verknappt, das Fazit einer Tagung der Volkswagen-Stiftung 2011 und des daraus hervorgegangenen Sammelbands. Es ist, getreu dem Untertitel, ein Diskurs im eigentlichen Sinn der Darlegung einer gewissen «unité de doctrine» – nicht eine kontrovers geführte Diskussion.

Es fehlten offenbar «die Repräsentanten der deutschen Hochschulen», die zusammen mit Politik und Stiftungen «durch ihr Handeln nicht selten die Situation der deutschen Sprache zugunsten des Englischen dramatisch verschlechtert haben», wie es in den Schlussfolgerungen heisst. Das bezieht sich auf in Englisch gehaltene Studiengänge, Tagungen, Förderungs-Ausschreibungen und Auswertungen, die in vielen Beiträgen beklagt werden, ohne dass man Genaueres über das Ausmass erführe. Und auch nichts – ausser einer vagen «Internationalität» – über die Begründung, da ja eben die besagten Repräsentanten nicht zu Wort kommen.*

Ausführlich wird dargelegt, was gegen die Konzentration aufs Englische spricht – mit guten Argumenten, die meist mehrfach zu lesen sind, wie es der Natur eines nicht konsolidierten Sammelbands entspricht. Das beginnt mit G. B. Shaws Bonmot «English is the easiest language to speak badly» und führt zur Überlegung, die häufig geprieses Rolle des Englischen als «lingua franca» der Wissenschaft sei ebenso irreführend wie entlarvend. Weil nämlich jene «lingua franca», die im Spätmittelalter wirklich so hiess, eine primitive Mischsprache gewesen sei, mit der man für Handel und Seefahrt im östlichen Mittelmeerraum die nötige Verständigung erreichen konnte.

Sprachen- und Wissensvielfalt

Damit gelangt man zum Kernargument, dass Wissenschaftssprache mehr sein müsse als ein vermeintlich objektives Instrument der Darstellung von Erkenntnissen, die man für absolut gültig und damit für sprachunabhängig hält. Selbst für die Mathematik wird dieser Ansicht Heisenbergs Diktum entgegengehalten: «Wissenschaft entsteht im Gespräch» – und dafür brauche es eine natürliche Sprache, die man mit dem Reichtum eines Muttersprachlers beherrsche; und es sei auch nötig, die Erkenntnisse in der Landessprache unters Volk zu bringen. Die Vielfalt der verwendeten Sprachen erweitere das Spektrum der wissenschaftlichen Zugänge, beteuern mehrere der Autoren aus Hochschulen, Stiftungen und Politik – aber konkrete Beispiele fehlen leider, ausser jenem, dass die Beschäftigung mit Originaltexten am besten in deren Sprache gelingt.

Das Buch mündet in beherzigenswerte Forderungen zugunsten der Mehrsprachigkeit, sowohl jener der Schüler, Studentinnen und Dozierenden als auch jener der wissenschaftlichen Publikationen und Tagungen. Dass ausreichende Englischkenntnisse dazugehören, wird nicht bestritten, aber diese sollen nicht auf Kosten anderer Sprachen angestrebt werden. Vielmehr sei zu vermeiden, so durch einen europäischen Index der Zitierhäufigkeit, dass wissenschaftlich ins Hintertreffen gerät, wer in der eigenen Sprache publiziert. Dabei geht es vornehmlich um den Kulturerhalt, aber auch um handfeste wirtschaftliche Interessen im globalisierten Wissenschaftsbetrieb.

© Daniel Goldstein (Sprachspiegel)

* In ihrem Sinne äusserte sich laut der Zeitschrift «Deutsche Sprachwelt» an der Tagung Bayerns Wissenschaftsminister Heubisch, doch ist sein Vortrag im Buch nicht abgedruckt.