Sprachspiegel, August 2014

Bücherbrett: «Metaphern der Gewalt»

Beobachtungen aus dem Wörterkrieg gegen den Terrorismus

Monika Schwarz-Friesel, Jan-Henning Kromminga (Hrsg.): Metaphern der Gewalt.

Die Konzeptualisierungen von Terrorismus vor und nach 9/11. Francke, Tübingen 2014. 219 S., ca. Fr. 47.–

Steht «9/11» – selber zur Metapher geworden – auch für eine Zeitenwende in der Publizistik? Der Sammelband stellt diese Frage zwar nicht explizit, ist aber schon mit seinem Titel darauf angelegt. Die meisten Beiträge gelten dem Umgang ausgewählter deutscher Zeitungen mit den Flugzeuganschlägen vom 9. 11. 2001 in den USA in den Monaten danach und an Jahrestagen. Zeitenwende ist eine der Metaphern, die herausgearbeitet werden; Krieg, (Natur-)Katastrophe, Verbrechen, das Böse, Terrorismus als Krankheit, Sumpf oder gar Franchise-Unternehmen sind weitere.

Eine Untersuchung sieht darin «Rationalisierungs- und Bewältigungsversuche», keineswegs nur dramatisierende und emotionalisierende, sondern zuweilen gar relativierende, «de-realisierende», etwa wenn nach dem Nährboden des Terrorismus gesucht werde. Testpersonen, denen Darstellungen mit unterschiedlichen Metaphern vorgelegt wurden, unterschieden sich danach bezüglich der Gegenmassnahmen, die sie bevorzugten: «Bestien» sollten militärisch, «Viren» präventiv bekämpft werden. Zwar stellt eine Studie fest, in der «Bild-Zeitung» habe das Verbrechen allmählich den Krieg als vorherrschendes Terrorismus-Bild abgelöst (also doch keine Zeitenwende?); aber sie beklagt, alle gängigen Metaphern legten Bekämpfung nahe und liessen Verhandlungen als unsinnig erscheinen (mit wem denn, und worüber?).

Nahe am Manipulationsvorwurf ist eine weitere Analyse, wonach die Medien «Schein-Evidenz als persuasive Strategie» einsetzten, also ihre Darstellungen als Realität verkauften, sei es mit Wendungen wie «offenbar», mit anschaulichen Einzelszenen, mit beeindruckenden Fachbegriffen und Zahlen oder mit zitierten Autoritäten.Lässt man aber das alles weg, so bleibt kaum Handwerkszeug. Das gilt nicht nur für Journalisten, sondern auch für die Kommunikationswissenschafter, die trotz oft komplizierter Fachsprache auch nur mit Wasser kochen. Wohltuend lesbar fällt in diesem Band ein historischer Rückblick aus: auf die frühe Presse des 17. und 18. Jahrhunderts mit relativ nüchternen Nachrichtenchroniken. Erst im 19. Jahrhundert ist demnach ein blumigerer Stil aufgekommen, der sich als – für Terrorakte unabdingbarer – Resonanzkörper eignet.

Daniel Goldstein (www.sprachverein.ch)