Macht schreiben Freude?
Eine Besucherin stellt zum «Sprachlust»-Motto «Damit schreiben Freude macht» folgende Frage: «„Schreiben“ ist doch hier nicht „einfach“ ein „gewöhnlicher“ Infinitiv, sondern das Subjekt! WAS macht Freude? Antwort: (das) Schreiben. Ein substantivierter Infinitiv im Nominativ ist doch gross zu schreiben. Oder nicht?» Hier meine Antwort:
In meinem Motto ist «schreiben» tatsächlich das Subjekt, aber daraus folgt nicht zwingend, dass der Infinitiv substantiviert und damit grosszuschreiben ist (ich würde auch lieber «gross zu schreiben» schreiben, darf aber gemäss Duden nicht). Im Duden-Band 9, «Richtiges und gutes Deutsch» (6. Aufl., S. 480) steht: «Der Infinitiv kann in einem Satz Subjekt oder Objekt sein, ohne dass er deswegen zum Substantiv werden muss.» Ob er es werde oder nicht, komme auf die Behandlung der «von dem Infinitiv abhängenden Wörter» an. Auf unseren Fall angewandt: «Einen Brief schreiben macht Freude» oder «(Das) Schreiben eines Briefs macht Freude. Oder aber: «(Das) Briefeschreiben ...»
Kommt ein Objekt dazu, so gefiele mir ohnehin ein erweiterter Infinitiv besser: «Einen Brief zu schreiben, ...» Was aber, wenn das Objekt oder sonst ein Prüfstein der Substantivierung fehlt, etwa ein Artikel? Dann geht Gross- oder Kleinschreibung, wie der gleiche Duden-Band auf S. 865 ausführt, u.a. am Beispiel «Geben/geben ist seliger denn Nehmen/nehmen».
Indem ich «schreiben» kleinschreibe, drücke ich einerseits meine Vorliebe für Verben aus, anderseits erkenne ich auch eine Bedeutungsnuance: Es geht mir um die Tätigkeit des Schreibens an sich, während mit grossgeschriebenem «Schreiben» eher die Kunstfertigkeit oder gar das Schulfach gemeint wäre.
© Daniel Goldstein