«Der Bund», 9. 8. 2013

Haben Pädophile Anspruch auf Schutz?

Gegen das «diskriminierende und menschenverachtende Pädophilenbashing» hat sich kürzlich im «Bund» ein Masseur gewehrt, der für «Junioren bis 16 Jahre Spezialpreise» offeriert, obwohl er vor drei Jahren wegen sexueller Handlungen mit einem Kind zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden ist. Zum «Bashing», also zum verbalen Dreinschlagen, gehört für ihn offenbar auch die Initiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», obwohl er diese Forderung «nachvollziehen» kann.

Am Titel der Initiative stört sich ein Mann, der sich schon zweimal auf der Internet-Plattform Infosperber zum Wort gemeldet hat, nachdem ich dort über sprachliche Ungerechtigkeiten in anderen Bereichen geschrieben hatte. Es war einmal um Verstösse gegen die Unschuldsvermutung gegangen und einmal um Verallgemeinerungen über Menschen einer bestimmten Herkunft. Der Initiativtitel betreffe nun alle Pädophilen, der Text aber nur die Verurteilten; mithin würden jene diskriminiert, die sich nichts hätten zuschulden lassen kommen, argumentiert der Kommentator.

Ob er selber pädophil ist, weiss ich nicht, und es tut auch nichts zur Sache. Aber sicher ist er pädophilophil: Er meint es gut mit Pädophilen, jedenfalls solange sie nicht strafbar machen, und umschreibt sie so: «Menschengruppe, die Kinder besonders gerne hat». Aus den griechischen Wörtern für Kind und Freund lässt sich das Fremdwort so deuten, aber man kann es nicht durch «Kinderfreund» ersetzen, denn das ist schon von Globi und Pestalozzi besetzt. «Pädophilie» dagegen definieren Wörterbücher etwa so wie der Duden: «auf Kinder gerichteter Sexualtrieb Erwachsener».

Menschen, die pädophile Straftaten begehen, werden auch «pädokriminell» genannt. Ein Pädophiler dagegen, der seine Neigung nicht auslebt, wird nicht als solcher erkannt – es sei denn, er offenbare sich als enthaltsamer Pädophiler. Ob er als Mitglied einer Minderheit vor Diskriminierung zu schützen sei, lässt sich nicht mit Sprachregelungen festlegen; das ist als gesellschaftliche Frage zu diskutieren. Mir scheint, eine sexuelle Orientierung, die jemanden zu gesetzwidrigem Verhalten drängt, unterscheide sich grundsätzlich von allen andern.

Man könnte umgekehrt der Volksinitiative vorwerfen, sie verspreche im Titel zu viel, nämlich den Schutz der Kinder vor allen pädophil Veranlagten; dabei betrifft sie ja nur solche, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Der Kommentator auf Infosperber findet es ein «Glück», dass ein anderer Pädophiler nicht erkannt wird, und meint, dieser «hätte doch Anerkennung verdient und nicht solche generelle Ächtung in der Gesellschaft. Er muss doch auf etwas verzichten, auf das kaum ein ‹normaler› Mensch verzichten will!»

Was «normal» bedeutet, braucht hier nicht definiert zu werden. Pädophilie wird indessen in der internationalen Klassifikation ICD-10 als Krankheit beschrieben: «eine sexuelle Präferenz für Kinder, Knaben oder Mädchen oder beide, gewöhnlich im präpubertären oder frühpubertären Alter». Nun gab es Zeiten, in denen auch Homosexualität weitherum als Krankheit galt; gewisse «Wohltäter» boten Heilung an oder tun es immer noch. Aber einvernehmlicher Verkehr unter Erwachsenen gleichen Geschlechts ist heute in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Dürfen auch Pädophile mit einem solchen Sinneswandel rechnen? Nein, denn einvernehmliche sexuelle Handlungen kann es mit Kindern nicht geben: Diesen fehlt die entsprechende Urteilsfähigkeit. Der «Verzicht» auf geschlechtlichen Umgang mit ihnen muss eine Selbstverständlichkeit sein, auch wenn er für manche Leute anstrengend ist.

© Daniel Goldstein (sprachlust.ch)

Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen»

«Bund»-Bericht vom 27.7.2013 über den Masseur

ICD-Definition «Pädophilie» (F.65.4)